Objekt des Monats

Die Sänfte der Hugenotten

Mit dem "Objekt des Monats" stellen wir Ihnen jeden Monat ein Exponat aus unserer Sammlung vor. Dieses Objekt wird in der Dauerausstellung gezeigt und kann vor Ort angeschaut werden.

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Die Sänfte der Hugenotten
Die Sänfte der Hugenotten
Objekt:
Die Sänfte der Hugenotten
Hersteller:
Tischlerei Christoph A Weidlich, Berlin (Rekonstruktion)
Datierung:
um 1700/ 20. Jahrhundert
Maße:
 
Material:
Holz, Leder, Seide und Glas
Inventar-Nr.:
AFrD: Inv.Nr. 1242

Einführung

Als Sänfte wird ein meist allseitig umkleideter Sitz zur Beförderung von Personen bezeichnet, die an seitlich angebrachten Stangen durch Menschen oder Lasttiere getragen wurde. In Berlin wurden Tragesänften ab 1688 als öffentliches Verkehrsmittel für kurze Strecken innerhalb der Stadt genutzt, sie wurden also wie ein Taxi eingesetzt. Somit bezeichnet man die Sänfte auch als erstes Taxi von Berlin.
Schon 1737 schrieb der Amtsrat Carl Christian Schram ein epochales Werk über Sänften. Er gab darin einen Überblick über die Historie und die weltweit eingesetzten Varianten dieses Transportmittels. Auch für die Stadt Berlin liefert er eine Beschreibung sowie die erste gesetzliche Regelung.

Bei der Sänfte im Hugenottenmuseum Berlin handelt es sich um einen Nachbau. Sie wurde als „mobiles Ausstellungsstück“ angekauft.

Die Berliner Sänftenträger

Mit dem am 1. Januar 1688 erlassenen Reglement  „Wie es mit denen Sänfften in der Churfürstlich Brandenburgischen Residenz von 1. Jan. An. 1688 an gehalten werden soll“  führte der Große Kurfürst von Brandenburg-Preußen das Sänftenwesen in Berlin ein. Damit wollte er den Hugenotten, die kein besonderes Handwerk gelernt hatten, aber sonst kräftig und ausdauernd waren, die Möglichkeit verschaffen, ihr Brot zu verdienen. Durch das Reglement vom 1. Januar wurde die Anfertigung von 12 Sänften auf Kosten des Kurfürsten bestimmt. Es verschaffte 24 Trägern ihr Einkommen. Die Träger mussten bei ihrer Einstellung ein gutes Zeugnis mitbringen und vor dem französischen Richter einen Eid ablegen.

Für die Sänften gab es in Berlin feste Standplätze: je vier Sänften sollten auf dem Schlossplatz, beim Berliner Rathaus und auf dem Friedrichswerder ihren Platz haben. Die Benutzung für den ganzen Tag kostete 20 Groschen, für die Stunde 4 und für einen Weg sollten nicht mehr als 3 Groschen veranschlagt werden.

Aufgrund einiger Beschwerden der Réfugiés, nach denen die gesetzte Taxe nicht mehr ausreichte, wurde am 16. April 1694 durch Kurfürst Friedrich III. eine neue Taxe (Preisliste) für Sänftenträger in den Residenzstädten erlassen. Alle weiteren Bestimmungen des Reglements von 1688 wurden jedoch beibehalten. Erst mit dem Amtsantritt König Friedrich Wilhelms I. wurde der Gebrauch der Sänfte als öffentliches Verkehrsmittel eingeschränkt, sie galten als zu großer Luxus. 

Sänften als Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen

Dass die Anfänge für die Berliner französisch-reformierte Gemeinde wohl eher bescheiden ausfielen und auch die Hugenotten, die nach ihrer Flucht nach Berlin kamen zum Teil mittellos und arm gewesen sind, bestätigt das Beispiel der Einführung des Sänftenwesens. Dieses kann als eine Art Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für mittellose Exulanten interpretiert werden.Literatur und Quellen:

Berliner Prunkschlitten, Kutschen und Sänften des Barok. Ausstellungskatalog Kunstgewerbemuseum Berlin, 1987
Seidel, Paul: Friedrich der Große und die Berliner Sänftenträger. In: Hohenzollern Jahrbuch XIX. (1915)
Schramm, Carl Christian: Abhandlung der Porte-Chaises oder Trage=Sänfften durch Menschen oder Thiere […], 1737
Mylius, Christian Otto: CCM, Theil 6, Abth.1, No CXCII.