Objekt des Monats

Bartholomäusnacht 1572

Mit dem "Objekt des Monats" stellen wir Ihnen jeden Monat ein Exponat aus unserer Sammlung vor. Dieses Objekt wird in der Dauerausstellung gezeigt und kann vor Ort angeschaut werden.

Bild
Bartholomäusnacht 1572
Bartholomäusnacht 1572
Objekt:
„De Moort van Parys gepleegt Anno 1572 op St.Bartholomeus Dag en volgende Dagen “
Aus: Elie Benoist: Historie der Gereformeerden Kerken von Vrankryk, (...) Amsterdam, Jan ten Hoorn 1696, Teil 1, Fol. 33
Künstler:
Jan und Caspar Luyken (Jan ten Hoorn Verleger)
Datierung:
1696
Maße:
290 mm x 767 mm
Material:
Papier
Technik:
Kupferstich
Inventar-Nr.:
AFrD: Inv. Nr. 164 – aus BFrD: K-287,1

Einführung

Das Blatt, welches mit „De Moort van Parys gepleegt Anno 1572 op St. Bartholomeus Dag en volgende Dagen“ beschrieben ist, zeigt eine kaum zu überschauende Szenerie aus Gewalt. Abgebildet ist das schreckliche Gemetzel, welches sich am frühen Morgen des 24. August (dem Tag des Heiligen Bartholomäus) 1572 in Paris ereignete und sich an den darauffolgenden Tagen in der Provinz ausbreitete.
Der Kupferstich ist eine von 14 Tafeln aus dem hugenottischen Geschichtswerk „Historie der Gereformeerden Kerken von Vrankryk“ des französischen Predigers Elie Benoist (1640-1728).

Bartholomäusnacht 1572

Als Kulisse dienen die historischen Bauten und Straßen der Stadt Paris. Hier hatte am 17. August 1572 die Hochzeit zwischen Margarete von Valois, der Schwester des französischen Königs Karl IX. und dem Führer des hugenottischen Hochadels, Heinrich von Navarra, stattgefunden. Dieses Bündnis sollte als Zeichen der Nähe zwischen französischen Protestanten und der katholischen Krone besiegelt werden. Aufgrund der Feierlichkeiten hielten sich neben den Pariser Hugenotten zahlreiche hochgestellte Hugenotten aus dem gesamten Land in der Stadt auf.
Die Annäherung war nicht unumstritten. Die katholische Seite, mit der Familie der Guise an der Spitze, sah in den französischen Protestanten Häretiker, die es zu bekämpfen galt. Nach einem missglückten Anschlag am 23. August auf den militärischen Anführer der Hugenotten, Admiral Gaspard de Coligny, befürchtete man Rache. Die französische Krone entschied somit, Coligny und seine Gefolgsleute ermorden zu lassen. Die Folge war ein unbeschreibliches Massaker, dem nicht nur in Paris sondern auch in weiteren Städten Frankreichs tausende Menschen zum Opfer fielen.

Der Kupferstich von Jan Luyken (1649-1712) und seinem Sohn Caspar Luyken (1672-1708) zeigt die Seine im rechten Bildhintergrund. Einige Hugenotten versuchen schwimmend oder mit Booten die linke Seite des Flusses zu erreichen. Die Gewalt scheint auf der anderen Seite noch viel unbeschreiblicher. Königliche Soldaten ziehen hilflose Menschen aus den Häusern. Kinder werden erstochen und tote Körper befinden sich überall im Bildgeschehen. Die Opfer leisten keinen Widerstand sondern flehen um Gnade. Einige versuchen zu flüchten oder verstecken sich auf den Dächern, es findet jedoch kein Kampf statt.
Der grausame Höhepunkt zeigt sich dem Betrachter im Bildmittelpunkt: hier wird der Leichnam eines Mannes ohne Kopf und Hände mit einem Seil an den Füßen davon gezogen. Darunter ist das Wort "dʾ Admiraal" zu lesen, hierbei handelt es sich folglich um den geschändeten Leichnam Colignys.

Identitätsstiftende Historie

Die kleinteilige Darstellung erweckt durch allerlei lebhafte Details den Anschein historischer Genauigkeit. Doch auch bis heute lässt sich der genaue Verlauf des Blutbads nicht nachvollziehen. Als Reaktion auf das Massaker entstanden Flugblätter, Chroniken und zeitgenössische Darstellungen, die das Ereignis der Bartholomäusnacht festhielten und einen Mythos hervorbrachten, wobei jede Seite ihren ideologischen Standpunkt und ihr Handeln zu rechtfertigen versuchte. Bei den protestantischen Glaubensgenossen löste das Ereignis Reaktionen der Empörung und des Mitleids aus. Die Geschichtswerke und Darstellungen sollten dafür sorgen, dass das grausame Massaker nicht in Vergessenheit geriet.

Elie Benoist war selbst Religionsflüchtling. Nach dem Widerruf des Edikts von Nantes flüchtete er aus Alençon in die Niederlande, wo er eine Anstellung an der Delfter Gemeinde fand. Hier erhielt er den Auftrag für seine "Histoire de l'Edit de Nantes". Das Werk setzt sich nach eigener Aussage zum Ziel « die grausame Verfolgung und den geringen Widerstand der Reformierten, der denjenigen, die nicht Augenzeugen waren, unwahrscheinlich erscheinen wird, in einer glaubhaften schriftlichen Überlieferung festzuhalten ».
Neben der original französischen Fassung erschien das Werk in London (The history of the famous Edict of Nantes) und später in einer niederländischen Fassung, die neben eines veränderten Titelkupfers nun auch Illustrationen von Jan und Casper Luyken enthielt. Die Bilder konnten die Botschaft der grausamen und ungerechten Verfolgung umso mehr visuell bekräftigen.

In den Aufnahmeländern konnte die Historie durchaus auch identitätsstiftend wirken. Die Flüchtlinge, die aufgrund ihres Glaubens ihr Land verließen, besaßen unterschiedliche Herkunft. Das Erzählen einer gemeinsamen Leidensgeschichte über die Generationen hinweg konnte sie zu einer Gemeinschaft zusammenschließen.

Literatur:

van Eeghen, Piet-Hein: Het werk van Jan en Casper Luyken. Amsterdam, 1905
Valois, Margarethe von: Memoiren, Briefe und sonstige Dokumente ihres Lebens. Leipzig, 1912
Deutsches Historisches Museum: Ausstellung Krieg der Bilder. Berlin, 1997
Fleckner, Uwe (Hrsg.): Bilder machen Geschichte. Berlin, 2014
van der Linden, David: Experiencing Exil, Farnham (Surry), 2015
Copyight: http://hdl.handle.net/10934/RM0001.COLLECT.143979